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1. Maximale Zurückhaltung
Wieder mal hat es geknallt, es knallt schließlich fortwährend, und ganz besonders oft im Nahen Osten, dort in der vergangenen Nacht sogar besonders heftig – auch politisch. In einer Art von Doppelschlag hat Israel wohl zwei seiner Erzfeinde … wie sagt man? Ausgeschaltet? Unschädlich gemacht? Liquidiert? Ermordet? Zur Verantwortung gezogen? In Beirut traf es Fuad Shukr, einen der ranghöchsten militärischen Führer der Hisbollah, mitverantwortlich vermutlich für den Raketenangriff auf einen Fußballplatz auf dem Golan. Israel sagt, er sei tot; die Hisbollah erklärte, er habe sich tatsächlich in dem zerstörten achtstöckigen Wohnhaus befunden, mehrere Personen seien gestorben. Und in Teheran traf es Ismail Haniyyeh, den politischen Chef der Hamas, der normalerweise in Dubai residierte. (Hier mehr über ihn. )
Wie man die beiden Schläge beurteilt, hängt vermutlich vom Standpunkt ab. Am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, (der gegen Hanniyyeh einen Haftbefehl wegen der Massaker vom 7. Oktober 2023 beantragt hat), wird man das wohl anders sehen als unter propalästinensischen Studierenden (oder Protestierenden) an der TU Berlin. Zur Deeskalation tragen die gezielten Tötungen gewiss nicht bei.
Schon reagiert die Welt: Der Iran droht mit Vergeltung, die USA wollen von nichts gewusst haben, Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas muss seine Rede im türkischen Parlament umschreiben und Außenministerin Annalena Baerbock ruft den Iran und seine »Achse des Widerstands« zu »maximaler Zurückhaltung« auf, könnte damit aber auch das israelische Kriegskabinett meinen. In der nächsten Umdrehung der Spirale dann, vermutlich in wenigen Tagen. Maximale Zurückhaltung, wann hat die eigentlich mal geschadet?
Lesen Sie hier mehr: Der hochriskante Doppelschlag gegen Israels Erzfeinde
2. Minimale Impulskontrolle
Die Tat von Southport war schon entsetzlich genug, und mein Kollege Steffen Lüdke aus London schildert sie so: »Mit einem Messer stach der Täter auf die Kinder ein. Drei Mädchen, sechs, sieben und neun Jahre alt, starben. Acht weitere Kinder wurden verletzt, fünf davon schwer. Zwei Erwachsene, darunter offenbar die Leiterin des Kurses, versuchten noch, die Kinder in Sicherheit zu bringen. Auch sie griff der Täter an, bevor Polizisten ihn schließlich überwältigen konnten«.
Was den Täter angetrieben hat, ist öffentlich noch nicht bekannt – und hat doch schon zu heftigen Zusammenstößen in dem Städtchen nördlich von Liverpool geführt. Grund dafür waren wilde Spekulationen, die (wie so oft) aus den Kloaken der »sozialen Medien« aufstiegen, und deren übliche Kanäle (wie ebenso oft) blitzschnell die Hirne vernebelten und angereiste Rechtsextreme zu Attacken auf die Polizei und die örtliche Moschee anstifteten.
Im Netz kursierte ein offenbar falscher, muslimischer Name des Täters. Ihm wurde eine offenbar falsche Fluchtgeschichte über den Ärmelkanal angedichtet. Eine der Quellen, aus denen sich der Zorn der »aufgebrachten Bürger« speiste, war der kriminelle Influencer Andrew Tate, der sich aus Rumänien per Tweet einschaltete.
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Und plötzlich fliegen Pflastersteine
3. Normale Retourkutsche
Man soll die Harris nicht vor dem Wahlabend loben, zumal sie noch nicht einmal einen »running mate« ernannt hat. Trotzdem hat es mehr und mehr den Anschein, als könnte sich ihr anfängliches Momentum als »Figur, die glücklicherweise nicht Joe Biden ist«, in eine echte – und effiziente Wahlkampfstrategie verwandeln: »The momentum in this race is shifting«, sagt sie im Videobericht meines Kollegen Cornelius Dieckmann, »and there are signs that Donald Trump is feeling it.«
Spürbar ist nicht nur die Ratlosigkeit der Republikaner, wie mit dieser vergleichsweise jungen (!) schwarzen (!!) Frau (!!!) umzugehen sei. Es zeigt sich auch, dass vor allem J.D. Vance, der designierte Vize von Donald Trump, von seiner eigenen Plauderlaune (Googeln Sie gern »Vance & Sex mit einer Couch«, der SPIEGEL hat aus guten Gründen nicht darüber berichtet) und misogynen sowie katzenfeindlichen Rhetorik eingeholt wird.
Vielmehr scheint es, als könnte der komplette demokratische Wahlkampf auf einen einzigen Kampfbegriff zusammenschnurren: »Weird«, seltsam, vielleicht sogar ein bisschen »creepy«. So nennt Kamala Harris ihre Opponenten, und so stellt sie sich selbst ganz beiläufig auf den Boden der Vernunft. Und das hätte man dann schon lieber im Weißen Haus, eine Stimme der Vernunft.
Hier mehr: »Manches von Trump und Vance ist einfach nur seltsam«
Was heute sonst noch wichtig ist
O2 will mehr Mobilfunkmasten in Naturschutzgebieten bauen: Vier Prozent der Landfläche in Deutschland sind Naturschutzgebiete. Bisher werden dort kaum Mobilfunkmasten genehmigt. Der Deutschlandchef des Anbieters O2 hofft, dass ein kommendes Gesetz die Genehmigung erleichtert.
Krisenkonzern Boeing stellt neuen Chef vor: Nach Abstürzen und Pannen hat Boeing massive Probleme. Branchenveteran Kelly Ortberg soll den Flugzeugbauer wieder auf Qualität trimmen. Und den riesigen Abstand zum Konkurrenten Airbus verringern.
Union beantragt Sondersitzung zur Fördergeldaffäre: Die CDU/CSU erhöht den Druck auf Bettina Stark-Watzinger. In einer Sondersitzung eines Bundestagsausschusses soll die Ministerin zur Fördergeldaffäre aussagen – und auch die von ihr geschasste Staatssekretärin.
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen
Warum Trumps Opfer-Strategie aufgehen wird: Attentate lösen eine Welle der Solidarität aus, wie sie politisch genutzt werden können, zeigt die Geschichte des frühen Faschismus. Trump kann das nach der Wahl helfen – selbst wenn er sie nicht gewinnt.
Wo im Urlaub das Wasser knapp werden könnte: Schwimmen, baden, duschen – gerade bei Hitze genießen Urlauber und Einheimische flüssige Abkühlung. Doch viele Urlaubsländer in Südeuropa leiden unter Dürre. Und das wirkt sich auf den Tourismus aus. Ein Überblick.
Ein Gift-co*cktail lähmt die deutsche Wirtschaft: Unternehmen wollen nicht investieren, Bauherren nicht bauen. Wie in einigen Quartalen zuvor sinkt die Leistung der deutschen Wirtschaft. Das sind die Gründe.
Was heute weniger wichtig ist
Last but not least action heros: Chris Pratt, 45, als Schauspieler bekannt aus »Jurassic World« und der »Guardians of the Galaxy«-Reihe, ist der ideale Schwiegersohn – jedenfalls für Arnold Schwarzenegger, 77, mit dessen Tochter Katherine Schwarzenegger, 34, Pratt verheiratet ist. Schwarzenegger jedenfalls redet Pratt offenbar nicht ungefragt rein, nervt ihn nicht mit seiner Qualmerei, seinem ständigen »Komm, nur noch ein Spiel!«, der Aufforderung, sich um die Viecher im Stall zu kümmern – oder mit viel zu trockenen Keksen. Im Gegenteil: »Du bist einmalig«, schrieb Pratt an Schwarzenegger anlässlich von dessen Geburtstag auf seinem Instagram-Account: »Ich freue mich auf ein weiteres Jahr mit klugen Ratschlägen, guten Zigarren, Schachspielen und dem Füttern der vielen Stalltiere, die in deiner Küche leben, mit selbst gebackenen Keksen«.
Mini-Hohlspiegel
Hier finden Sie den ganzen Hohlspiegel.
Cartoon des Tages
Und heute Abend?
Wer von Taylor Swift langsam die Nase voll hat, kann natürlich Taylor Swift nicht kennen – könnte aber Gracie Abrams ein Ohr leihen. Die Newcomerin ist gleich dreifach gesegnet. Erstens mit einer Freundschaft zu Taylor Swift, in deren Vorprogramm sie 2023 bereits aufgetreten ist. Zweitens mit einem recht einflussreichen Vater, J. J. Abrams, Kinogängern bekannt als Regisseur (unter anderem von »Star Wars«-Filmen) und Produzent (unter anderem ebenfalls von »Star Wars«-Filmen), nicht eben das kleinste Licht in Hollywood. Drittens, und jetzt wird’s unfair, mit einem enormen Talent als Songwriterin. Meiner Kollegin Kim Staudt erzählte Abrams im Interview: »Die Songs sind aus Gesprächen entstanden, die wir auf der Couch geführt haben. Es fühlte sich an wie eine Therapie, bei der man all die verwirrenden, aufregenden und peinlichen Gefühle in einem sicheren Raum ausdrücken kann«. Von den Qualitäten dieser Songs kann man sich selbst überzeugen. Und das lohnt sich auch für Leute, die von Taylor Swift die Nase voll haben.
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Einen gefühlvollen Abend wünscht Ihnen
Ihr Arno Frank, Autor
Anmerkung: In einer früheren Version hieß es, dass der Strafgerichtshof in Den Haag gegen Hanniyyeh einen Haftbefehl wegen der Massaker vom 7. Oktober 2023 ausgestellt hat. Tatsächlich wurde der Haftbefehl beantragt. Wir haben die entsprechende Stelle korrigiert.